Ich komme gerade aus einer Woche Urlaub mit meiner Mutter zurück. Es war eine wunderschöne Zeit in den Bergen, in der wir nicht nur entspannt haben, sondern ich auch viel über ihre – und gleichzeitig auch meine – Vergangenheit erfahren habe. Zum Beispiel, dass meine Mutter von ihren Eltern – meinen Großeltern – oft zu hören bekam, sie sei dumm und unverschämt. Es ging nicht nur um Worte, sondern auch um körperliche Gewalt.
Das Erleben und die Vergangenheit - das Päckchen das meine Mutter da abbekommen hat - hat mich tief getroffen. Was für eine starke Mutter ich habe - wie sie trotz dieser Geschichte nie aufgegeben hat. Gleichzeitig wurde mir klar: Meine Großeltern waren selbst Kinder des Krieges. Ein großer Teil ihrer Geschichte blieb unausgesprochen, ungeklärt. Das entschuldigt ihr Verhalten nicht, aber es zeigt, wie verstrickt Traumata und ungelöste Konflikte in Familien sein können.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es ums Überleben und um den Wiederaufbau. Man musste einfach funktionieren, es gab keinen Raum für Schwäche. Kinder, die aus dem Rahmen fielen und nicht ins Bild der gehorsamen Nachkriegsfamilie passten, bekamen den ganzen Druck ab. Meine Eltern waren solche Kinder – beide passten nicht ins System und wollten irgendwie ausbrechen. Wenn ich zwei Eltern habe, die so sehr gegen diese Enge kämpften, dann gibt es sicher viele Eltern aus dieser Generation, mit ähnlichem erleben.
Unsere Eltern tragen ihre ungelösten Geschichten mit sich herum, und oft übernehmen wir als Kinder diese Lasten, ohne es zu merken. Plötzlich verstehe ich besser, warum ich manchmal den Glaubenssatz in mir trage, dass ich „zu doof“ sei. Dabei haben mir meine Eltern das nie gesagt. Ich glaube jetzt, dass ich diesen Gedanken unbewusst von meiner Mutter übernommen habe, weil ihre Eltern das so tief in ihr verankert haben. Obwohl sie wirklich alles andere als dumm ist, hatte sie diesen Satz für sich als Wahrheit übernommen.
Als Kinder orientieren wir uns an unseren Bezugspersonen. Wir lernen früh, was wir tun müssen, um Liebe und Anerkennung zu bekommen. Dabei übernehmen wir nicht nur die positiven, sondern leider auch die negativen Glaubenssätze, die unsere Eltern über sich selbst haben.
Es hat mir unglaublich gutgetan, mehr über die Geschichte meiner Mutter zu erfahren. Ich verstehe sie jetzt besser – und dadurch auch mich selbst. Kennt ihr eigentlich die Vergangenheit eurer Eltern und welche Glaubenssätze sie über sich verinnerlicht haben ? Welche könnten heute mit Ideen die ihr über euch selbst habt zu tun haben?