Gestern hatte ich einfach genug.
Genug vom ständigen Funktionieren, vom Immer-mehr-Leisten, vom Gefühl, nie wirklich anzukommen. Dieses ständige Streben nach schneller, höher, weiter – es hat mich ausgezehrt. Und tief in mir wusste ich: Das hat nicht nur mit meinen eigenen Glaubenssätzen zu tun. Es hat auch mit dieser Welt zu tun, in der wir leben. Mit einem System, das uns einredet, wir müssten ständig etwas erreichen, um etwas wert zu sein.
Also habe ich einen Entschluss gefasst: Heute steige ich aus.
Nur für einen Tag. Kein Social Media, kein Getriebensein. Nur ich, die Sonne und der Wunsch, einfach mal wieder zu spüren, was es heißt, lebendig zu sein. Ohne Ablenkung. Ohne Druck.
Mit dieser Haltung bin ich raus in den Tag – und er hat mich überrascht.
Irgendetwas hatte sich verschoben. Die Welt schien weicher. Freundlicher. Menschen haben mich angelächelt, fremde Menschen. Und mit einigen kam ich ins Gespräch. Nicht über das Wetter oder den Beruf, sondern über das, was uns wirklich bewegt.
Was hat dich zu dem Menschen gemacht, der du heute bist?
Wo liegen deine Zweifel?
Was kannst du noch lernen?
Warum sind wir überhaupt hier?
Diese Begegnungen waren wie kleine Fenster in Seelen. Offen. Ehrlich. Tief.
Auf dem Heimweg ging ich an einem Restaurant vorbei. An einem der Tische fiel jemandem eine Gabel herunter, und der ganze Tisch versuchte vergeblich, sie aufzuheben. Im vorbeigehen das Spektakel beobachtend, hielt ich an und reichte ihnen die Gabel mit einem Lächeln: „Bitteschön.“
Verblüffung. Lachen. Und plötzlich war ich mittendrin in einem Gespräch über die Soße auf dem Tisch. Zwei fanden sie überhaupt nicht scharf, zwei fanden sie kaum auszuhalten.
Natürlich musste ich selbst probieren. Was soll ich sagen? Sie war höllisch scharf.
Ich verabschiedete mich da kam der Restaurantmanager auf mich zu der die Szene beobachtet hatte, mit einem Mango Lassi in der Hand und sagte: „Wow, this whole encounter was so friendly of you. You are a kind being, take this agains the burn.“
Sein Name war – passenderweise – Deep.
Und was dann folgte, war das tiefste Gespräch seit Langem.
Deep ist 26, lebt seit eineinhalb Jahren in Berlin. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, seine Eltern haben ihr ganzes Leben lang gespart, damit er in Europa ein besseres Leben haben kann.
Seit er in Berlin ist, führt er dieses Restaurant. Arbeitet jeden Tag mindestens zwölf Stunden. Feiern geht er nicht. Keine Ablenkung, keine Kompromisse.
Sein Ziel ist klar: Er will seiner Familie helfen. Einen Teil seines Einkommens schickt er nach Indien.
Er hat sich selbst ein Versprechen gegeben – und das hält er no matter what. Deep meditiert täglich und das schon seit er ganz klein ist. Sein Vater hat ihm das als Kind beigebracht, er hat ihn jeden Morgen geweckt und sie sind an einen kleinen Fluss gegangen um da die Ruhe im Außen und im Innen zu kultivieren. Das merkt man, Deep ist wie ein Mensch von einem Planeten der Zukunft. Er ist ruhig und ausgeglichen. Weiss für was er steht im Leben. Verurteilt nicht. Lässt Menschen sein - und versucht in jedem Moment ein guter Mensch zu sein.
2 Stunden verbrachte ich im Restaurant. Sie luden mich zum Essen ein. Zum Abschied umarmten wir uns mit den Worten, “what a pleasure to have met a new friend today. Thank you”
What a pleasure to be alive.